Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hatten der Verein Hamburger Sportjournalisten und die Macromedia University of Applied Sciences zu einer Podiumsdiskussion geladen und konnten sich über eine sehr ansprechende Resonanz freuen. Thema war die „Digitalisierung der Sportkommunikation“.
Die Plätze auf der Macromedia-Eventfläche in der Hamburger City waren mit Studierenden und VHS-Mitgliedern sehr gut gefüllt, als das Thema am Abend des 26. November „Digitalisierung der Sportkommunikation“ lautete. Macromedia-Professor Thomas Horky hatte als Podiumsgäste Judith Zacharias (Referentin Corporate Communication beim SV Werder Bremen), Pit Gottschalk (Publisher des täglichen Newsletters Fever Pit’ch und früher unter anderem Chefredakteur von Sport 1 und Sportbild) und Frederik Ahrens (Ressortleiter Sport der Hamburger Morgenpost) eingeladen. Gemeinsam mit Thomas Horky moderierte die Macromedia-Studentin Tilde Böttcher gekonnt die rund einstündige Diskussionsrunde. Im Anschluss nutzen die Publikumsgäste ausgiebig die Chance, der Expertin und den Experten auf der Bühne weitere Fragen zu stellen.
Judith Zacharias gewährte während der Diskussion überaus interessante Einblicke in die moderne, digitale Medienarbeit eines etablierten Fußball-Bundesligaklubs wie Werder Bremen. Diese geht auch an einem Spieltag weit über die Organisation der Mixed Zone und Pressekonferenz sowie Zuführung von Spielern an die Field-Reporter der TV-Sender hinaus. So habe sie sich kürzlich bei einem Heimspiel um Influencer aus Vietnam, Südafrika und Kolumbien gekümmert. Das Ganze geschah in Abstimmung mit der DFL, die in den genannten Ländern einen sogenannten Zielmarkt sieht.

Werder Bremen selbst ist auf diversen Social-Media-Plattformen für durchaus unterschiedliche Ziel- und Altersgruppen aktiv. Von X (ehemals Twitter) allerdings hat sich der Verein ebenso wie kurz zuvor der FC St. Pauli verabschiedet und postet seine News jetzt stattdessen auf Bluesky. Rund 20 Personen seien mittlerweile in der Werder-Medienabteilung tätig. Im Spätsommer habe der Transfer von Stürmer Victor Boniface von Bayer Leverkusen zum SVW eine völlig neue Dimension eröffnet. „Er brachte selbst eine große Community mit. Der Post von seiner Verpflichtung hat dann auch bei uns Klicks in einer Größenordnung generiert, die wir so nicht kannten“, berichtete Judith Zacharias. (Screenshot: SVW/VHS)
Sollten künftig also vor allem Spielertypen geholt werden, die eine hohe Social-Media-Gefolgschaft mitbringen? „Clemens Fritz (Werders Geschäftsführer Profifußball, die Red.) würde mir einen Vogel zeigen, wenn ich vorschlagen würde, einen bestimmten Spieler zu verpflichten, nur weil er besonders viele Follower hat. Dieser Aspekt fließt nicht in die Bewertung vor einem Transfer ein“, stellte sie klar. Aber sie räumte auch ein: „Dennoch ist dies ein Faktor.“ Insgesamt handelten sie und ihre Werder-Kolleg:innen auch unter dem gegebenen Social-Media-Zeitdruck grundsätzlich nach der Devise „Sorgfalt vor Schnelligkeit“. Es gelte immer abzuwägen, welchen Trend man mitgehen will. „Wir müssen nicht über jedes Stöckchen springen, das uns hingehalten wird“, betonte Judith Zacharias.
Pit Gottschalk berichtete, dass sein Fußball-Newsletter Fever Pit’ch mittlerweile 30.000 Abonnenten zählt, von denen einige auch freiwillig einen Obolus entrichten. Die zugehörige Website diene als weiterer Distributionskanal, hinzu komme ein ergänzender Video-Podcast, der vor allem auf YouTube verbreitet wird. So habe er eine Kostendeckung für diesen ersten, von einem großen Medienhaus oder Verein unabhängigen, bundesweiten Fußball-Newsletter erreichen können. „Aber wirklich Geld verdiene ich mit anderen Sachen“, stellte er klar und nannte beispielsweise seine Kolumnen auf Focus Online und 1&1.
Die heutige Beziehung zwischen den Profiklubs und den Redaktionen brachte Pit Gottschalk auf einen klaren Punkt: „Vereine und Zeitungen sind Konkurrenten um die Zeit der User.“ Längst vorbei seien die Tage, in denen die Pressesprecher der Klubs den Reportern die Telefonnummern der Spieler auf einer Liste per Fax zugesandt haben. „Wenn man heute einen Spieler direkt anruft, wird man standrechtlich erschossen“, sagte er sinnbildlich. Medienabteilungen seien aufgrund ihrer eigenen, auch kommerziellen Interessen heutzutage mehr Verhinderer als Ermöglicher einer unabhängigen Berichterstattung.
Pit Gottschalk: „Wir dürfen der KI nicht blind vertrauen, aber sie wird uns besser machen. Und es werden neue Jobs entstehen.“
Im Raum stand auch die Frage wie die Künstliche Intelligenz die Arbeit von Sportjournalisten künftig verändern wird. „Wir dürfen ihr nicht blind vertrauen, aber sie wird uns besser machen. Und es werden neue Jobs entstehen“, prognostizierte Pit Gottschalk. Wenn die KI lästige und zeitraubende Arbeiten übernimmt, bleibe für den Journalisten mehr Zeit für Gespräche und Einordnungen.
Mopo-Sportchef Frederik Ahrens berichtete anschaulich, wie sich die Arbeit seiner Redaktion durch die Umstellung von einer Tages- zu einer Wochenzeitung im April 2024 verändert hat. „Das war ein Riesenschritt, der im kleinen Kreis mehr als ein Jahr lang vorbereitet worden war“, sagte er. Neben der permanenten, aktuellen Online-Berichterstattung gehe es jetzt darum, für die Printausgabe deutlich längere Texte mit einem „magazinigeren Ansatz“ zu schreiben: „Das musste sich anfangs erst zurechtruckeln.“ Der Annahme, dass der wöchentliche Erscheinungsrhythmus nur ein Zwischenschritt zu einem kompletten Abschied vom Print sei, widersprach Ahrens. „Es gibt keine Exit-Gedanken für die Printausgabe“, betonte er.
Frederik Ahrens: „Das Verhältnis zwischen den angeklickten Texten über den HSV und den FC St. Pauli liegt ungefähr bei 4:1.“
Online habe die Mopo rund 42 Millionen Seitenaufrufe im Monat. Rund 30 Prozent davon entfielen auf den Sport – mit einem deutlichen Schwerpunkt. „Das Verhältnis zwischen den angeklickten Texten über den HSV und den FC St. Pauli liegt ungefähr bei 4:1“, berichtete er. „Das Interesse an anderen Sportarten ist deutlich geringer.“ Wie zuvor Pit Gottschalk warnte auch Frederik Ahrens davor, KI-Inhalte ungeprüft zu übernehmen. In einem von ihm interessehalber angeforderten Text über den Hamburger Top-Diskuswerfer Mika Sosna und seinen bisher besten Wettkampf seien nahezu alle Daten der Konkurrenten nicht korrekt gewesen. „Hätten wir das so veröffentlicht, wäre das eine große Blamage für uns gewesen“, sagte er, zeigte sich aber auch überzeugt davon, dass KI-Anwendungen sehr schnell dazulernen werden und somit für den journalistischen Alltag noch wertvoller werden.
Nach dem offiziellen Teil nutzten die Teilnehmenden bei Snacks und Getränken die Chance, sich im kleinen Kreis auszutauschen. Hier wurden alte Bekanntschaften gepflegt, vor allem aber auch neue Kontakte geknüpft. Auf jeden Fall soll die Kooperation zwischen dem VHS und der Macromedia University fortgesetzt und im kommenden Jahr mit weiteren Veranstaltungen gelebt werden.
Text: Carsten Harms // Aufmacherbild (von links nach rechts): Thomas Horky, Frederik Ahrens, Judith Zacharias, Pit Gottschalk und Tilde Böttcher (Foto: VHS)