Sport und Politik hätten nichts miteinander zu tun, heißt es oft. Kolumnist Andreas Hardt erklärt, warum das Quatsch ist – nicht nur in Bezug auf die umstrittene Fußball-WM im Emirat Katar.
Zur Fußball-WM gibt es an dieser Stelle nichts zu sagen. Das machen andere, anderswo. Kollegen, die vor Ort waren und noch sind. Kollegen, die direkte Eindrücke hatten vom sportlichen Geschehen und den gesellschaftlichen Verhältnissen vor Ort. Die darüber in unterschiedlichsten Medien großartige Reportagen abgeliefert haben. Und manchmal eben auch nicht.
Sich über Gianni Infantino zu echauffieren ist einfach, der FIFA-Präsident hat jede Kritik verdient. Wenn das dann aber in Medien und durch Menschen hierzulande passiert, die gleichzeitig Klimaprotestierer ohne Anklage „vorbeugend“ in bayerische Gefängnisse stecken wollen oder der geplanten Kennzeichnungspflicht von Bundespolizisten widersprechen, dann wird es schwierig.
Ach, Sport und Politik, auf diesem dünnen Eis kann man doch nur einbrechen. Natürlich entspricht das Leben in Katar in keiner Weise unseren Normen und Wertvorstellungen. Natürlich ist der Umgang mit den Arbeitern, den Frauen, den Schwulen, Andersdenkenden zu kritisieren. Das Einstehen für Menschenrechte ist richtig – aber doch bitte immer und nicht nur bei einer Fußball-WM.
Bislang ist das Prinzip des Sportswashing immer aufgegangen
Von den Sportlern zu verlangen, sich politisch zu positionieren und dabei eventuell Nachteile bei der Ausübung ihres Berufes – denn nichts anderes ist Fußballspielen für sie – in Kauf zu nehmen, erscheint doch zumindest fragwürdig. Es ist auf gewisse Art ungerecht. Er hoffe, dass sich das Team während der WM auf den Sport konzentrieren könne, sagte Oliver Bierhoff vor dem Turnier. Das hat eher nicht geklappt.
Dabei ist das Thema doch gar nicht neu. Insbesondere die reichen Golfstaaten nutzen hochkarätige Sportveranstaltungen schon seit einigen Jahren, um sich als weltoffen zu präsentieren. Ihnen gehören Fußballklubs wie Paris St. Germain oder Manchester City, es gibt Formel-1-Rennen, Tennisturniere, Golfturniere, es gab die Leichtathletik-WM 2019, die Handball-WM 2015, seit 2017 die Klub-WM der FIFA – und vieles mehr. Bislang ist das Prinzip des Sportswashing immer aufgegangen.
Die jüngsten Einlassungen von Uli Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern in Bezug auf das Sponsoring von Qatar Airways beim deutschen Fußball-Rekordmeister haben gezeigt, wie so etwas funktioniert: Dies sei die Mitgliederversammlung des FC Bayern, nicht von Amnesty International, merkte er an. Man dürfe nicht nur das Schlechte kritisieren, sondern müsse doch auch sehen, was Positives erreicht wurde. Es gehe den Arbeitern in Katar jetzt viel besser als früher.
Wandel durch sportliche Annäherung? Vergiss es!
Das ist der übliche Trugschluss. Vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking gab sich das IOC überzeugt, dass sich die Lage der Tibeter durch den Fokus der Welt nachhaltig verbessern würde. Wir Journalisten durften auch mit Chinesen reden, deren Englisch wurde aber sofort schlecht, wenn es um Politik ging. Das Internet funktionierte – allerdings nur in den Pressebereichen. Der Smog blieb aus, weil Fabriken stillgelegt worden waren. Die wohnungslosen Wanderarbeiter wurden aus der Stadt entfernt. Das Olympische Dorf war ein Potemkinsches.
2014 schüttelte IOC-Präsident Thomas Bach bei den Winterspielen in Sotschi die Hand von Wladimir Putin, 2018 durfte Russland die Fußball-WM ausrichten. Wandel durch sportliche Annäherung? Vergiss es! Schon die Spiele 1936 in Berlin wurden zur Imageaufbesserung eines faschistischen Regimes missbraucht.
Sport sei unpolitisch, heißt es oft. Das ist falsch. Sport wurde und wird wegen seiner Popularität immer zu Propagandazwecken missbraucht. Das dürfen wir nie vergessen – nicht nur in Bezug auf Katar.
Das Aufmacherfoto zeigt FIFA-Boss Gianni Infantino (links) und Russlands Despot Wladimir Putin und stammt von sampics photographie/Stefan Matzke/augenklick. Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Das VHS-Mitglied schreibt die Kolumne „Hardt und herzlich“ für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.